Monatsarchive: Oktober 2014
Laptopwagenvorhängeschloss mit rotem Schlüssel
Schneider Liquid Longliner auf 21 x 14,8 cm (80 g/qm Kopierpapier).
Heute acht Minuten vor Klausurschluss.
rapid line
Royal Talens Chinatusche auf 35 x 25 cm (220 g/qm Dorée Aquarellkarton).
Die aktuelle Aufgabe für meinen Q2-LK: Expressive Tuscheporträts malen. Vorgabe ist, nicht länger als sieben Minuten an einem Bild zu arbeiten. Als visuelle Anregung dienen Porträtfotos von künstlerischen Mitarbeitern des Düsseldorfer Schauspielhauses.
Besonders reizvoll an der beschriebenen Aufgabe sind die mehr oder weniger zufälligen Reaktionen der Zeichentusche, wenn sie mit angefeuchtetem Papier in Berührung kommt. Bei der Gestaltung der Porträts ist es damit möglich, zeichnerisch-lineare, klar voneinander abgegrenzte Bildbereiche mit zum Teil sehr differenzierten, malerisch-flächenhaften Tonwertverläufen zu verbinden. Dies führt zu überraschend freien, einerseits abstrahiert und zugleich in einzelnen Details beunruhigend naturalistisch wirkenden Ergebnissen. Das Verfahren macht den Schülerinnen und Schülern die Arbeitsweise der seit den 1970er Jahren in den Niederlanden lebenden südafrikanischen Künstlerin Marlene Dumas zugänglich. »What I love: a rapid line«, bekennt Dumas in der Retrospektive, die zurzeit das Amsterdamer Stedelijk Museum unter dem Titel »The Image as Burden« zeigt.
Die Ausstellung habe ich gesehen und werde mit meinen beiden LK-Kursen auf jeden Fall noch mal nach Amsterdam fahren. Beeindruckend ist die Bandbreite der existentiellen Bildthemen, mit denen sich Dumas seit 40 Jahren konsequent figürlich auseinandersetzt. Dabei geht sie einen grundsätzlich anderen Weg, als ich mit meinen Alltagsskizzen, die ja direkt aus der Anschauung vor Ort entstehen. Ich maße mir nicht an, mich mit Dumas künstlerisch zu vergleichen. Angesichts der gemeinsamen Vorliebe für eine zügige Zeichnung finde ich ihre gegensätzliche Position allerdings bemerkenswert:
»Ich arbeitete nie nach der Natur. Der Versuch, wie man es zum Beispiel noch in der abstrakten Malerei der Nachkriegszeit versuchte, dieses oder jenes Wirklichkeitsfragment einzufangen, schien mir immer eine dumme Sache. Malerei ist ja so unnatürlich, eine derart künstliche Angelegenheit, dass das kaum funktionieren kann. Was mich interessierte, war etwas über Gemütszustände und Beziehungen zwischen Menschen auszusagen. Da wäre ein Naturalismus nur illustrativ. Wenn Sie dagegen Fotografie verwenden, arbeiten Sie bereits mit einer verzerrten Realität und einem flachen Raum, der mit Wirklichkeit nichts mehr zu tun hat. […] Um diese Spannung, auch zwischen dem Dokumentarischen und der freien Zeichnung, geht es mir.«
(Zitatquelle: Interview in der österreichischen Tageszeitung Der Standard, 13.06.1995, S. 8. Zitiert nach: https://www.mip.at/texte/223/)
Meine beiden Tuscheskizzen gehen auf ein kleines AP-Foto zurück, das ich zufällig in einer älteren Zeitungsnotiz auf einem Arbeitstisch des Kunstraums finde. Es zeigt die Iranerin Sakine Mohammadi-Ashtiani. Die Frau war 2006 in Tiflis wegen Beihilfe zum Mord an ihrem Ehemann zum Tod durch Steinigung verurteilt und erst nach Aufsehen erregenden internationalen Protesten 2010 begnadigt worden.
spitzer
Staedtler Mars Lumograph 100 3B Bleistift und Horadam Aquarellfarben auf 27,5 x 21,5 cm (150 g/qm Stillman & Birn Alpha Series Sketchbook).
Heute in der Post: Mein neuer Longpoint-Anspitzer. Den Stift spitzt man mit diesem Gerät in zwei Arbeitsschritten: Mit dem ersten Messer wird zunächst lediglich ein Span vom die Mine ummantelnden Holzschaft abgetragen, so dass ein schlanker Kegel entsteht. Dabei bleibt allerdings die Graphitmine unangetastet. Mit dem zweiten Messer spitzt man anschließend das freigelegte zylindrische Minenstück. Dadurch ergibt sich eine längere und präzisere Zeichenstiftspitze.
sammeln #2
Schwarzer Tintenliner auf 28 x 9 cm (140 g/qm Hahnemühle Travel Journal).
Von unseren beiden Haselnuss-Sträuchern hat meine Frau schon mehr als 2000 Nüsse als Vorrat für den Winter aufgesammelt. Auch die Walnussbäume werfen dieses Jahr eine Menge ab. Die hier sind aus Weissach, wo die Familie meiner Schwester lebt.
sammeln #1
Pilot Parallel Pen (mit Noodler’s Polar Black Tinte) und Pentel Aquash Waterbrush mit Horadam Aquarellfarben auf 27,5 x 21,5 cm (150 g/qm Stillman & Birn Alpha Series Sketchbook).
Übers Wochenende treffen wir uns als Großfamilie in Süddeutschland. Wieder mal sehr schön und spannend zu erleben, wer da innerhalb von drei Generationen bisher schon alles zusammengekommen ist. Und weiter geht die Geschichte …
cinque giorni nella città eterna
Roter und schwarzer Tintenliner auf 27,6 x 21,6 cm (Canson Artbook 180º, A5, 96 g/qm).
Romreise meines Kunst-LKs: Mit fantastischem Licht reichlich beschenkt. Im Vatikan atemberaubende Reichtümer und Macht, in der Sistina erhobene Nasen bestaunt. Verschlungene Wege begangen, steinalte Hügel und Hunderte von Treppenstufen erklommen, um Blicke das Weite suchen zu lassen. Wassermassen bis zu den Knöcheln durchwatet, im Pantheon Wolkenbrüche abgewettert. Am Borghesebrunnen gemeinsam angerichtetes Picknick genossen. Marmorne Musen in Galerien und goldveredelte bronzene Schönheiten auf Foren und Plätzen bewundert. An Abenden fröhlich getafelt. Nächte gekürzt. Flüchtiges verewigt. Und am Ende wieder das Skizzenbuch voll.
Nach mindestens fünf zu Fuß zurückgelegten Kilometern durch unzählige verwinkelte Ausstellungssäle und Treppenanlagen des Vatikan öffnet sich endlich das schmale Eingangsportal der Sixtinischen Kapelle. Gemeinsam mit rund 2000 Menschen und Michelangelos Deckenfresken in über 20 Metern Höhe in diesem knapp 840 qm großen schlecht proportionierten Raum. Fotografieren verboten. Mir bleiben nur Sekunden, um staunend nach oben gerichtete Gesichter zu verewigen.
Werde abends am Pantheon von einem kolossalen Unwetter überrascht. Zuvor beim Zeichnen hatte sich der Himmel über der Piazza bereits bedrohlich zugezogen. Habe – wie die meisten anderen Touristen – weder Anorak noch Schirm dabei. Aber zum Glück einen Beutel mit würzigem Käse, deftiger Wurst, frischen Paprika und Tomaten. Damit flüchte ich mich in den Schutz des Pronaos. Als der Wolkenbruch sich entlädt, regnet es sogar durchs Dach hindurch. Also Rückzug zu den Holztoren des Portals. Kann von hier aus gemeinsam mit anderen Geflüchteten in Ruhe das Ende des Unwetters abwarten. Mehr als hundert zum Teil bis auf die Haut durchnässte Menschen versammeln sich in der alten Halle. Fliegende Händler machen mit fadenscheinigen Capes und klapprigen Schirmen beste Geschäfte. Nach einer knappen Stunde lässt der Regen allmählich nach.
Gian Lorenzo, Ihr habt den Bogen raus. Wünschte, ich könnte Konzentration, Dynamik und fruchtbaren Moment einfangen so wie Ihr!
Ein Fest für die Sinne in einer Stadt wie Rom – die aufgeschnappten kleinen Momente am Bühnenrand der Straße: Das geduldige Beratungsgespräch des Kitschdrucke-Verkäufers mit seiner unentschlossen zögernden Kundin. Die Akkordeonspielerin, die sich während ihrer wehmütigen Darbietung von einer am Straßenrand aufgebauten mobilen Lichtanlage in Regenbogenfarben einhüllen lässt. In den Nachthimmel hochgeschleuderte, bunt leuchtende Spielzeugobjekte fliegender Händler. Vorüberschlendernde Bummler, innig verschlungene Paare, Eis schleckende stille Genießer, miteinander disputierende oder herausgeputzte, das Hündchen ausführende Passanten. Und über allem die kurzlebigen Klänge und vergänglichen Düfte eines mediterranen Abends.
Rom – seit mehr als 2750 Jahren ewige Baustelle für Glanz und Gloria.